Die Einsiedlerzeit von Bruder Antonius in der Stadt Zeil am Main ab 1913.
Weitere aufschlussreiche Details aus dem Archiv
Foto: In dem Häuschen auf dem Kapellenberg neben dem Käppele wohnte er
Haßfurter Tagblatt (HT) , 30.10.1915
„Schweinfurt. Ein Wüstling sondergleichen stand in der Person des 64 Jahre alten Laienbruders Stefan Alois Kempf, genannt „Bruder Antonius“, vor der Strafkammer wegen 14 Verbrechen wider die Sittlichkeit und widernatürlicher Unzucht. Der Angeklagte wurde am 22. Juli verhaftet mit der Beschuldigung, seit Jahren sich an Kindern, namentlich an Knaben unter 14 Jahren vergangen zu haben. Zur Verhandlung, die unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand, waren 30 Zeugen, darunter 18 solche Knaben geladen. Während der Angeklagte in der ganzen Voruntersuchung leugnete, legte er zur letzten Stunde unter dem Zureden des Gerichtsvorsitzenden und seines Verteidigers ein umfassendes Geständnis ab. Die Verhandlung ergab, dass sich der Angeklagte, der 12 Jahre auf dem Staffelberg bei Lichtenfels und seit 1913 auf dem Kapellenberg bei Zeil war, sich in der schamlosesten Art an den Kindern verging. Der Angeklagte war schon früher solcher Handlungen verdächtig, aber immer verstand er es, gegen die Zeugen vorzugehen dass diese von einer Beschuldigung abstanden und ein Verfahren nicht eröffnet werden konnte. Auch in der Voruntersuchung suchte er die Zeugen in gemeinster Art zu verdächtigen und verleumdete auch seine Opfer bei ihren Schulvorständen. In früherer Zeit suchte der Beschuldigte in Klöstern in Würzburg und Salzburg unterzukommen, wurde aber fortgejagt, weil er sich damals schon in verdächtiger Weise den Zöglingen näherte. Das Gutachten des Landgerichtsarztes Dr. Schulz erklärte den Angeklagten für vollständig normal und für seine Tat im vollen Sinne verantwortlich. Der Staatsanwalt beantragte eine Gesamtzuchthausstrafe von 9 Jahren und 10 Jahren Ehrenverlust. Das Urteil lautete auf 4 Jahre 6 Monate Zuchthaus und die beantragte Nebenstrafe unter Ausschluß mildernder Umstände.“
HT, 28.9.1918:
„Staffelstein Einsiedlermanns Nachlaß. Im Februar 1917 starb als Büßer in Straubing der frühere Eremit Stephan Anton Kempf und hinterließ ein Vermögen mit dreißig tausend Mark. Wie sein Leben ein verwirrtes und dunkles war, so auch sein hinterlassenes Testament. In diesem sind, wie das Staffelsteiner Tagblatt meldet, 85 Firmpaten mit Legaten benannt, von 50 Mark aufsteigend bis 500 Mk, Summe 24.000,– Mk. Es sollen aber noch mehr Paten vorhanden sein, die nicht genannt sind, sie sollen sich beim Testamentsvollstrecker melden, dieser ist der H.H. Stadtpfarrer Dümler in Zeil Ufr. Kempf machte keine Angabe, wo seine Vermögensteile zu suchen sind. Manches wurde wohl gefunden, aber nicht alles. Es konnte manches bei Banken hinterlegtes festgestellt werden, aber es fehlen die Depositenscheine, und ohne diese geben die Banken nichts heraus. Es muss auch da ein Ausschreiben erlassen und die Scheine für ungültig erklärt werden. Haupterbe ist sein Heimatort Holzkirchhausen zur Gründung „einer Kleinkinderbewahranstalt. Für Zeil und Staffelberg ist kein Legat eingesetzt
Und es gibt weitere Fundstücke: HT – 4.8.1913
„Zeil. Zu der Nachricht, daß der frühere Einsiedelmann vom Staffelberg, Bruder Antonius, auf dem Kapellenberg bei Zeil sich niedergelassen hat, wird noch geschrieben, Daß Bruder Anton nicht nach Zeil gekommen ist, um eine Wirtschaft zu betreiben, sondern bei der herrlichen Lourdeskirche ein beschauliches Leben zu führen, wie auf dem Staffelberge auch. Er ist kränklich und hat, da er durch Operationen geschwächt ist, auf ärztlichen Rat den Staffelberg verlassen um sich hier niederzulassen.“
Stadtratsprotokoll vom 21.2.1915:
„Der Einsiedler auf dem Kapellenberg Bruder Antonius Kämpf hat einen Bauplan in Vorlage gebracht und beabsichtigt auf dem von ihm erworbenen Grundstück Plan No. 819 der Steuergemeinde Zeil ein kleines Wohnhäuschen zu errichten, welches oben an die Bergkapelle ungefähr 17 m unterhalb der Kirche zu stehen.
Die Stadtverwaltung geht unter Berücksichtigung der Min.. Entschließung vom 27.3.19o7 Heimatschutz betreffend bei ihrem Beschlusse von der Überzeugung aus, dass sich das projektierte Wohnhäuschen, nach der vorliegenden Planskizze unschön ausnehmen wird und den Anblick vom Tal zur Kapelle äußerst ungünstig beeinträchtigt, umso mehr weil anzunehmen ist, daß hier die Erbauung dieses Häuschens eine – wenn auch geringfügige Fläche ‑ abgeholzt werden muß, um den Bauplatz vorbereiten zu können, sodaß es unvermeidlich sein dürfte, daß die kahle Wand‑ und Dachfläche durch die an und für sich spärliche Bewaldung des Hügels hindurchscheint und einen unschönen Anblick bietet.
Die Stadtverwaltung hat des Weiteren bereits am 5.5.1912 den Beschluß gefaßt, oben an der Bergkuppe herum von den Plan‑No. 805 ‑ 836 1/2 einen schmalen Kopfstreifen zu erwerben, um event. später beabsichtigte Bebauungen, die den Anblick der Umgebung der Kapelle ungünstig beeinträchtigen können, hintanzuhalten.
Die Durchführung dieser Grunderwerbung war mangels verfügbarer Mittel bisher nicht möglich und so kam es, daß Bruder Antonius ohne Wissen der Gemeinde den Bauplatz erwerben konnte. Die Stadtverwaltung beschließt deshalb mit Stimmenmehrheit gegen die Erbauung des beabsichtigten Wohnhauses Einspruch zu erheben und an das kgl. Bezirksamt die Bitte zu stellen, seine Zustimmung zu dem Bauvorhaben zu versagen.“
HT 11.6.1915:
Zeil. Das Küsterhaus auf dem Kapellenberg ging mit samt dem Wirtschaftsbetrieb in den Besitz des vom Staffelberg her bekannten „Einsiedelmannes“ Bruder Antonius über. Bei dem Anwesen befindet sich ein Garten, ein schönes Stück Feld und Wald. Der vielen Touristen wohlbekannte Einsiedelmann dürfte auch auf dem herrlich gelegenen Kapellenberg wieder viele Besucher finden.
HT, 7.8.1915:
Zeil. Verhaftet – Untersuchung. Auf Anordnung der kgl. Staatsanwaltschaft in Schweinfurt erfolgte am 24. Juli die Verhaftung des Stefan Aloys Schenk, genannt Bruder Antonius, auf dem Käppele. Gestern weilte der Herr Untersuchungsrichter von Schweinfurt dahier behufs Zeugenvernehmung in dieser Sache wegen § 176,3. *). Seit einigen Jahren befindet sich Schenk hier oben bei der Kapelle und hat vor kurzem das neben der Kirche sich befindliche Wirtschaftsanwesen gekauft. Er steht in den 60er Jahren und war vorher 15 Jahre auf dem Staffelberg bei Staffelstein als Pförtner.
*) Anmerkung: StGB „Sexueller Missbrauch von Kindern“
HT, 14.8.1915:
Zeil. Zu der Verhaftung des früheren Einsiedlers von Staffelstein, des sog. „Bruders Antonius“ sonst Alois Schenk geheißen, zuletzt auf unserem Käppele, wegen Verführung Minderjähriger wird mitgeteilt, dass Schenk niemals Kloster- oder Laienbruder gewesen ist, sondern sich nur „Bruder Antonius“ nennen ließ. Der von Scheffel besungene „heilige Veit von Staffelstein“ war natürlich ein ganz anderer und ist längst gestorben.
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300 Jahre zurück
Dass der Kapellenberg in Zeil (früher Castrum Cilanum, die Zeiler Burg) für Einsiedler eine besondere Anziehung hatte, beweisen auch diese Abhandlungen:
Aus: Ludwig Leisentritt, Geschichte der Zeiler Maria Hilf-Kapelle, erbaut 1727
1727 wurde an der Stelle des heutigen Käppele eine kleine Kapelle erbaut. Seltsamerweise im gleichen Jahr, Maria Limbach erbaut worden ist. Man weiß auch, wer der Bauherr war: Nämlich der Zeiler Ratsherr und Rentamtmann Wernhammer, der auch das Steinkreuz am Aufgang zur Empore (Bootskerng) gestiftet hat. Leider wurde bei der Renovierung die Inschrift nicht mehr aufgeführt, weil sie schon nicht mehr zu lesen war. Doch Engelhardt Eisentraut hatte sie in einem kleinen Heftchen 1908 aufgeschrieben.
Sie lautet: “Im Jahre 1748 am 17. September starb im hohen Greisenalter von 73 Jahren 2 Monaten und 1 Tag ein wahrer Israelit, in dem kein Falsch war, Herr Johann Wernhammer, Ratsherr von Zeil und Steuereinnehmer, der gar fromme Stifter dieses Kreuzes und der Kapelle auf dem Berge. Ihm sei Ruhe, Licht, Leben und Heil durch dich, o Erlöser; uns aber verleihe einen guten Tod, v. Christus.
Im gleichen Jahr (1748) überreichte Joachim Dresch Tertiarius Eremita, ein Einsiedler aus Fünfkirchen in Ungarn ein Schreiben an den Zeiler Stadtrat. Er bittet darin, ihm zu erlauben, dass er auf der „alten Bürg“ neben dem Maria Capellein eine Eremitage erbauen dürfe. Der Stadtrat beschied ihm, dass diese Angelegenheit dem hochfreiherrlichen Oberamtmann sowie der ganzen Bürgerschaft „gehörig vorgetragen“ werde und auch mit den Amtsdorfschaften darüber communiciert werden solle. Daraus wurde aber nichts.
Quelle: Ratsprotokoll Stadt Zeil, DRESEL Joachim Eremit Bitt um Erlaubnis eine Eremitage zu bauen VII 358b
Die kleine Kapelle in der Größe von etwa 10 x 5 Meter hatte damals als Kostbarkeit ein Gemälde, das heute als das Gnadenbild gilt und 300 Jahre alt ist. Das Gemälde von der „schwarzen Madonna“ soll die Kopie eines Bildes von Lukas Cranach sein.
Anmerkung:
Ich danke Herrn Leisentritt, seines Zeichens Ehrenbürger von Zeil am Main sehr für den äußerst netten und kooperativen Kontakt, ohne den diese Veröffentlichung so nicht möglich gewesen wären!